Pen & Paper Frust: Warum ich nach 15 Jahren aufhörte

Die uralten Steinstufen führen in einer nicht enden wollenden Spirale hinab in die Eingeweide des Berges. Lediglich die zuckenden Flammen der Fackeln erhellen die vor Nässe glänzenden Steinmauern, die euch umgeben. Die Schritte der müden und angeschlagenen Abenteurer hallen dutzendfach von den Wänden wieder. Irgendwo, weit, weit unten hört ihr ein Rumoren, als würde sich ein gigantisches Wesen im Herzen des Berges in seinem dumpfen Dämmerschlaf wälzen.

Pen & Paper aufhören – Spielleiter Erfahrung

 

„If there´s something strange in the neighborhood…“ der Paladin der Gruppe erwählt ausgerechnet diesen Moment, um den Titelsong von Ghostbusters zum Besten zu geben, „who ya gonna call?“

Niemand steigt auf den Witz ein. Aber egal – die unheimliche Stimmung ist ohnehin im Eimer. Erst später sollte mir bewusst werden, dass Sessions wie diese der Grund waren, warum ich mit Pen & Paper aufhören musste…

Kaum ist die Gruppe unten angekommen, da erwacht Acchramûl, der Höllenlöwe aus seinem Äonen andauernden Schlaf. Ich, der Spielleiter, mache mir nicht die Mühe, den Dämon zu beschreiben. Erfahrungsgemäß fällt mir spätestens im zweiten Satz jemand ins Wort und der Kampf beginnt so oder so.

Acchramûl ist ein harter Gegner. Glücklicherweise hatten die Abenteurer in der letzten Session eine Schritt-für-Schritt-Anleitung erhalten, die beschrieb, wie man den Teufel besiegen konnte. Diese wäre sehr hilfreich, wenn sich jemand die Mühe gemacht hätte, Notizen zu machen.

Der Zauberer der Gruppe hätte den alten, okkulten Wälzer sogar bei sich. Allerdings hat sich dieser, wie gewohnt, zu Beginn der Session dazu entschieden, sich von der Gruppe zu trennen und mich dazu zu nötigen, sein eigenes kleines Nebenabenteuer zu leiten, während der Rest der Abenteurer die Hauptquest erledigten.

Vielleicht könnte der Barbar helfen. Doch dieser ist nicht zugegen. „Sorry, voll verpennt. Ich schaffs heute nicht“, kam die Whatsappnachricht – zwei Stunden nach Spielbeginn.

Mitten im Kampf holt die Klerikerin das Regelbuch hervor. Seite für Seite, Zauber für Zauber. Es dauert eine Weile – immerhin kennt sie den Charakter noch nicht in- und auswendig, obwohl sie ihn seit 12 Sessions spielt. Und so verschränkt der Dämon die Arme und bleibt geduldig stehen, während die Spielerin liest.

Nun, irgendwie wird Acchramûl besiegt und das Abenteuer gewonnen. Alle sind happy. Alle fandens toll. Und alle fragen gleich nach der nächsten Session. Und ich sacke in mich zusammen und atme tief durch.

 

Wenn Leidenschaft zur Last wird – Warum ich nach 15 Jahren mit Pen & Paper aufhören musste.

Eins vorweg: Jeder Spieler kann mal die Wirkung eines Zauberspruchs oder einer Fähigkeit vergessen. Jeder kann mal zu spät oder gar nicht auftauchen. Wir alle haben ein Leben außerhalb des Hobbies. Und jeder kann mal einen Witz zu einem unpassenden Zeitpunkt machen. Wir alle sind Menschen und haben unsere Fehler oder einfach Vorstellungen, die sich von denen anderer unterscheiden. No Problemo.

Pen & Paper aufhören – Spielleiter ErfahrungDoch wenn sich Situationen wie die oben beschriebene ständig wiederholen, so kann das auf Dauer sehr frustrierend für Spieler und Spielleiter sein. Leider ist die Rolle des Spielleiters (oder Game Master, Dungeon Master etc.) generell eine sehr undankbare. Trotz Session 0 und klarer Kommunikation fällt am Ende doch wieder jemand aus der Reihe, sehr zum Leidwesen der kompletten Spielsitzung. Spieler blieben unangemeldet aus, verfingen sich in Off-Topic-Gelaber oder wandten sich aktiv gegen die Gruppe. All das, nachdem ich vorher wochenlang am neuen Abenteuer gefeilt, Regelbücher gewälzt, Karten gezeichnet, NPCs ausgebaut habe. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war ein Mitspieler, der von mir erwartete, dass ich für ihn on the fly ein Solo-Ego-Abenteuer improvisierte, während die anderen Mitspieler nebendran sitzen und Däumchen drehen mussten. Die ganze Geschichte könnt ihr euch von Loot Goblin vorlesen lassen: Zum Video

Welche unangenehmen Situationen hattet ihr in euren Rollenspielrunden? Ventet gerne in den Kommentaren.

All diese Dinge haben mir irgendwann das Gefühl gegeben, dass mich Pen & Paper mehr auslaugt, als dass es mir Freude bereitet. Ich bereitete die Abenteuer nicht mehr vor, weil ich Spaß am Spiel hatte und voller Vorfreude auf die nächste Session war. Ich tat es eher aus einem verkorksten Pflichtgefühl, in dem es eher darum ging, den Spielern etwas zu bieten, obwohl ich schon längst die Begeisterung verloren hatte. Deshalb entschloss ich mich nach 15 Jahren des Spielleiterdaseins, das Hobby an den Nagel zu hängen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Pen &Paper selten das ist, was es theoretisch sein könnte: ein großes Abenteuer in einer fantastischen Welt, in der man zusammen mit seinen Freunden Gefahren trotzte und glorreiche, herzzerreißende, schreckliche und hoffnungsvolle Momente erleben konnte. Stattdessen läuft es in der Regel auf Klamauk und Regelchaos hinaus.

Außerdem muss ich ganz deutlich betonen, dass ich in meiner Zeit auch spitzen Mitspieler in meinen Gruppen hatte, mit denen ich auch in Zukunft wieder gerne die Würfel werfen würde. Nur eben nicht als Spielleiter.

 

Das Spiel ist aus – was jetzt?

Worldbuilding und Storytelling gehört nach wie vor zu meinen großen Leidenschaften. Diese drücke ich seit langem mit meinen Miniaturen aus. Wann immer Zeit für Privatprojekte ist, arbeite ich an den Blasphemern (Forbidden Psalm), Xalimedras Staubfürsten (Reign in Hell) oder entwerfe Gelände und Charaktere für Ironsworn.

Was ist Ironsworn? Nun, so ganz kann dann doch nicht mit Pen & Paper aufhören. Aber wenn man nicht mehr das Risiko eingehen möchte, das eine Spielergruppe mit sich bringt, so hat man die Möglichkeit des Solo-Spiels. Ironsworn ist ein Pen & Paper-Rollenspiel, dass auf eine einzelne Person ausgelegt ist. Diese ist Spieler und Spielleiter zugleich. Mit viel Fantasie, Improvisationsvermögen und dem eigenen Tempo schlägt man sich durch die eisigen Eisenlande. Mehr Infos zu Ironsworn gibt es in unserem nächsten Artikel: Dieser erscheint am 7.September hier in unserem Blog

Mir ist klar, dass dieser Artikel sehr persönlich war und dass er meine eigene Sichtweise widerspiegelt. Wenn Kamauk und Off-Topic zu eurem bevorzugten Spielstil zählt – geil! Wenn eure gesamte Gruppe Freude daran hat, tobt euch aus und wie auch immer ihr spielt, ich wünsche euch von ganzem Herzen viel Freude daran!

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Batzen

    Also erstmal: Tut mich voll sorry, dass du das durchmachen musstest. Das klingt mies. Was ich mich Frage, meinst du man kann da Regeln aufstellen, eenn man das vorher ganz empathisch erklärt? Kein OT. Keine Sologänge.. wer zu spät kommt, muss das nächste Spiel leiten. Naja, ob man so jemanden als Spielleiter haben will ist die andere Frage xD

    1. Tobi

      Hey hey. Danke für den Kommentar :). Ja, so etwas sollte man natürlich machen. Ein Treffen vor dem eigentlichen Spiel, in dem jeder seine Vorstellungen, Wünsche und No-Gos ausbreitet, wird als Session 0 bezeichnet. Als wir damals in den 2000ern mit dem Hobby angefangen haben, war das noch nicht wirklich verbreitet aber in den letzten (ca.) 8 Jahren hat sich das stark etabliert. Und es ist eine tolle Idee. Allerdings funktionieren Regeln nur, wenn sich alle dran halten.

      Der Tropfen, der mein Fass zum überlaufen gebracht hat, war ja die Call of Cthulhu-Kampagne vor ein paar Jahren. Wir hatten eine Session 0, in welcher der fragliche Problemspieler (angeblich) absolut meiner Meinung war. Als er dann immer und immer wieder gegen die Gruppe agiert hat, habe ich mehrmals mit ihm gesprochen und natürlich war er super einsichtig und all dass… nur, um dann wieder den gleichen Scheiß zu machen.

      Natürlich geht immer etwas schief, je mehr Menschen man in einer Gruppe hat. Aber ab einem gewissen Punkt wollte ich einfach nur abschalten, ein tolles Spiel spielen und eine gute Zeit haben. Stattdessen wars halt dauernd nur Stress.

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