Dezember 2020 – Der zweite Lockdown zur Einschränkung der Infektionszahlen ist in vollem Gange und wie so vielen Tausend Deutschen in dieser Zeit ist mir langweilig. Nachdem ich schon seit Monaten kein einziges Warhammer 40.000-Match mehr spielen konnte, baue ich in meiner 12 m² kleinen Küche eine Spielplatte auf. Die Platte ist so groß (und meine Küche so klein), dass ich unter sie hindurchkrabbeln muss, um an den Kühlschrank zu gelangen. Aber es hilft nichts – Opfer müssen erbracht werden. Ich baue mein 40k-Gelände auf und mein erster Ausflug in das bis dato eher obskure Hobby des Solo-Wargaming beginnt.
Die beiden Kontrahenten im Kampf um einen bereits sehr verwüsteten Industriesektor sind die Verrätertruppen der Alpha Legion und eine Abteilung der Bavarian Bluecoats, mein eigens kreiertes Regiment der Imperialen Garde. In Runde 1 schicke ich die Bluecoats in Stellung, grabe meine Gardisten ein und lasse einen Sentinel über das unebene Gelände staksen. Ein paar erste Schüsse werden abgefeuert und dann – ja, was dann?
Das Match dauerte über knapp zwei Wochen, wobei ich pro Abend eine Spielrunde einer Seite spielte. Die lange Dauer zwischen den Zügen gab mir genug Zeit, mich in die jeweilige Seite einzufühlen und eine Strategie auszutüfteln, nur, um sie am nächsten Abend wieder zu kontern. Nicht die optimale Spielweise, aber es hat mir auf jeden Fall den Lockdown versüßt.
Solo-Wargaming – von der Notlösung zum Trend
Das oben genantne Beispiel war natürlich eine Notlösung. Aber wenn der Lockdown die Spielebranche eines gelehrt hat, dann dass die Nachfrage nach Solo-Wargames höher ist, als zuvor angenommen – auch lange nach der Pandemie.

Neben bereits etablierten Spielen, die ihre Regelwerke um Ein-Spieler-Einträge erweitert haben, kamen auch etliche neue Tabletop-, Brett- und Rollenspiele auf den Markt. So lässt sich zum Beispiel die komplette Kampagne des Black Metal-Fantasyskirmishers Forbidden Psalm alleine bestreiten. (Mehr Infos über die düstere Welt von Forbidden Psalm findet ihr in diesem Artikel). In Rebecca walks home at night übernimmt der Spieler die Rolle von Rebecca und muss ganz alleine zusehen, wie er sie unbeschadet nach Hause bringt. Monster und Schurken bewegen sich nach einfachen, aber strikten Regeln über das Spielfeld und jagen Rebecca ganz ohne das Zutun eines anderen Spielers durch die Nacht. Wer genauso wie ich keine Lust auf die Eskapaden anderer Spieler hat oder keinen Spielleiter findet, der kann auf das düstere Rollenspiel Ironsworn zurückgreifen. Dieses kann zwar als „Guided Play“ oder im Co-op-Modus gespielt werden, ist aber komplett auf eine Solo-Spielweise konzipiert.
Warum Solo-Gaming Sinn macht
Auch, wenn wir im Mai 2021 hoffentlich den letzten Lockdown unseres Lebens gesehen haben, besteht doch der Bedarf nach Solo-Spielen. Krankheit, Arbeitsstress und private Verpflichtungen halten uns oft davon ab, uns bei Freunden oder im Hobby-Laden zu treffen und unsere Miniaturen herumzuschubsen. Das gleiche gilt natürlich auch für unsere Gegenspieler und manchmal kommt es vor, dass sich einfach kein Partner für eine Partie unseres Lieblingsspiels findet. Und es ist auch vollkommen ok, wenn man manchmal einfach keinen Bock auf Gesellschaft hat und lieber alleine in seiner Hobbyecke hockt und seine eigenen Abenteuer spinnt.
Außerdem bieten Solo-Wargames die großartige Freiheit, Regeln zu interpretieren oder abzuändern, wie es einem beliebt. Macht es Sinn, dass ein Charakter in Forbidden Psalm keinen Schild tragen darf, wenn er bereits einen Speer trägt? Millionen von griechischen Hopliten und römischen Legionären sagen „nein!“ – und ich ebenso. Und ich muss in diesem Fall nicht einmal meinen Mitspieler fragen, ob ich diese Hausregel einsetzen darf.

Zu guter Letzt kann ein Solo-Spiel die Immersion in die Spielwelt ins unermessliche steigern. Wer besonders viel Wert darauf legt, sich in fantastische Welten hineinzuversetzen, wird Single-Player-Spiele lieben. Wer jemals gegen unbemalte Miniaturen gespielt hat oder sich während eines Plot-Reads unterbrechen lassen musste, weil der Gegenspieler jetzt wirklich noch schnell von der nervigen Cheffin erzählen muss, wird wissen, was ich meine.
Fazit
In all diesen Fällen können Solo-Spiele glänzen. Je nach dem, um welches Spiel es sich handelt und wie viel Mühe und Kreativität man investieren möchte, können Solo-Wargames nicht nur ein netter Zeitvertreib sein, sondern auch unvergessliche Spiele-Erinnerungen schaffen. Hey, wer hätte gedacht, dass ein popliger Sentinel einen Venomcrawler im Nahkampf schreddert – Ich sicherlich nicht!
Einen Spielbericht über ein Solo-Abenteuer in Forbidden Psalm findet ihr in diesem Artikel und ob es Rebecca nach Hause geschafft hat, könnt ihr in diesem Video sehen.
Hast du schonmal ein Solo-Wargame ausprobiert? Schreib mir deine Erfahrungen gerne in die Kommentare! Und wer jetzt die Lust an Solo-Games gefunden hat, der kann sich auf mein aktuelles Projekt freuen…
2301 – Exoplanet 9: Inmitten der kargen Einöde ragt ein gewaltiges, von Sandstürmen verwittertes Bauwerk empor. Der Eingang gleicht einem gähnenden, schwarzen Schlund. Die fremdartigen Symbole an den Wänden interessiert dich nicht – du bist nur ein Typ mit einem Plasmablaster – und die Überreste der außerirdischen Zivilisation versprechen gutes Geld.
1 Spieler. 1 Würfel. Unzählige Gefahren. Bist du bereit?
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